Segelflugnation Deutschland
Wie wir unsere Marktführerschaft behaupten

- ein Vortrag auf der "AERO Conference 2009" gehalten von Friedel Weber am 4. April 2009 -

Ja, das ist wirklich eine ungewöhnliche Branche und unser Wirtschaftsminister zu Guttenberg hätte seine reine Freude daran:
Alle führenden Hersteller von Hochleistungs-Segelflugzeugen kommen aus Deutschland! Leider ist die Branche aber so klein, dass der "hohe Herr" uns weder zur Kenntnis nehmen dürfte noch mit staatlichen Subventionen lockt! Wir werden uns also selbst helfen und einen Weg aus der schwierigen derzeitigen Situation finden müssen.

Wir wollen heraus finden, was uns am besten in der Position unserer Weltmarktführerschaft halten kann. Dazu ist es sicher hilfreich die Gründe zu kennen, die uns dorthin gebracht haben, wo wir heute stehen.

  1. Es ist dies ein historischer Grund
  2. ein wirtschaftlicher - und sehr bedenklicher Grund
  3. und es ist ein struktureller Grund

1. Der Segelflug wurde mehr oder weniger in Deutschland erfunden aufgrund der Beschränkungen des Vertrages von Versailles. Motorfliegerei war der jungen Republik gänzlich verboten, und niemand hätte es für möglich gehalten, dass man das Erlebnis des Fliegens etwa auch ohne Motor  haben könnte. Die Flugzeuge der zwanziger Jahre kennt wohl jeder aus einschlägigen Fotos und man kann sie sehr gut im Original auf der Wasserkuppe im Segelflugmuseum betrachten. Ist es nicht unglaublich, mit welchem Enthusiasmus die jungen Leute damals an unser Hobby heran gingen? Welch gewaltige Vorarbeiten nötig waren, um nach einem Gummiseilstart wenige Minuten ins Tal abzugleiten? Es gibt leider sehr viele Gründe, warum wir die jungen Leute heute nicht mehr so begeistern können!

Auf jeden Fall traf man sich damals jährlich auf dem "Berg der Segelflieger", der Wasserkuppe, der "Rhöngeist" wurde geboren und die Firma Alexander Schleicher als einer der "großen Drei" unserer Branche war wirklich "von Anfang an dabei"!
So kam Deutschland zum Segelfliegen!

2. Aber selbstverständlich entstanden nach und nach auch in anderen Ländern Hersteller von Segelflugzeugen. Nur gibt es sie heute nicht mehr. Wo sind sie alle geblieben?

Schauen Sie sich mal bitte die folgende Liste an:

Warum gibt es die alle nicht mehr? Warum haben die Firmen den Segelflugzeugbau mangels Rentabilität aufgegeben oder mussten selbst Insolvenz anmelden? Waren das alles nur Managmentfehler? Es ist schon eine beängstigende Aufzählung, oder nicht? Nur in Deutschland sind noch Hersteller mit einem nennenswerten Marktpotenzial erhalten geblieben und so haben die letzten drei Firmen dieser Aufzählung auch einen Nachfolger gefunden.

Man kann es kaum beschönigen, dass sich der Segelflugsport weltweit in einer Dauerkrise befindet, die durch schrumpfende Pilotenzahlen offensichtlich wird. Das ist alles andere als ein erfreulicher Zustand und es würde mein Referat bei weitem sprengen, wenn ich mich jetzt hier in ausführlichen Philosophien zur Zukunft des Segelflugs auslassen würde. Dass diese Entwicklung die Hersteller nicht unberührt lässt, kann sich allerdings jeder von Ihnen denken.

Die schrumpfende Anzahl von Piloten weltweit führt aber – noch – nicht zu einer in gleicher Weise schrumpfenden Anzahl von im Einsatz befindlichen Flugzeugen. War es früher üblich, dass in einem Verein sich eine Vielzahl von Mitgliedern wenige Flugzeuge teilten, so gibt es heute einen sehr großen zusätzlichen Anteil von Privatfliegern, die über ein eigenes Flugzeug verfügen. Dieser Anteil ist im allgemeinen um so höher, je höher entwickelt ein Land ist, je höher also das Volkseinkommen pro Kopf ist. Obendrein werden in Privatbesitz meist sehr wertvollen Flugzeugen geflogen, die häufig über ein Klapptriebwerk und eine Menge weiterer Ausrüstung verfügen.

Dennoch muss man sich fragen, ob es bei schrumpfendem Markt eine "Geschäftsidee" sein kann, so lange im Segelflugzeugbau weiter zu machen, bis es den nächsten Kollegen "erwischt" hat.
Eine tragfähige Geschäftsidee ist das sicher nicht.

3. Der dritte Grund für die Weltmarktführerschaft stimmt allerdings hoffungsvoller. Es ist die einmalig nur in Deutschland vorhandene Struktur aus Piloten, Forschung und Herstellern, die ganz offensichtlich eine unverzichtbare Voraussetzung dafür ist, die besten Segelflugzeuge der Welt herstellen zu können.

Da sehen Sie rechts ein paar junge Leute, die einem Freund in seinem Flugzeug helfen. Ja, und?

Sie sehen in Wahrheit auf diesem Bild fast eine komplette Generation Deutscher Flugzeugzeugkonstrukteure, denn der Pilot ist Wolf Lemke - später der Chefkonstrukteur von Rolladen Schneider, links im Bild der schlanke Jüngling ist Gerhard Waibel und rechts beugt sich Klaus Holighaus über das Instrumentenbrett. Nur Wilhelm Dirks als vierter dieser Segelflugzeugkonstrukteur-Generation fehlt auf dem Bild - er war damals mit 14 Jahren noch "zu klein", denn das Foto entstand etwa 1962. Dafür ist er als einziger heute noch aktiv tätig und mein wichtigster Mitarbeiter.

Die jungen Leute rekrutierten sich vor allem aus den Akafliegs, den Akademischen Fliegervereinigungen an verschiedenen deutschen Universitäten, bei denen Braunschweig, Darmstadt und Stuttgart besonders zu erwähnen sind. Dort entstand der Nachwuchs, der mit dem theoretischen Rüstzeug der Unis und den praktischen Erfahrungen der Akafliegs später die bekannten deutschen Hersteller gründete oder zumindest die Konstruktionsabteilung leitete. Sie erhielten natürlich weiterhin die Unterstützung der Institute Ihrer ehemaligen Universitäten und in diesem Dreiklang aus Theorie, Praxis und weiterer Forschung liegt das maßgebliche Geheimnis, weshalb deutsche Hersteller den Weltmarkt im Segelflugzeugbau beherrschen.

Dass dies nicht nur Theorie ist, konnte ich vor etwa 10 Jahren an einem sehr praktischen Beispiel erleben:
In den USA hatte ein reicher Geschäftsmann – Jerry Mercer – sich mit einem Computer-Spezialisten zusammen getan, um das optimale und ultimative Standardklasse Flugzeug zu konstruieren, das alle bestehenden Konstruktionen in den Schatten stellen sollte – und das „Made in USA“.
Es musste doch möglich sein, diese deutschen Hersteller zu schlagen!
Heraus kam die „Genesis“ - ein ungewöhnliches Design und ganz etwas Neues.
Eine Produktion in den USA war schlicht nicht möglich, da es niemanden dort gab, der über entsprechende Erfahrungen in der Composite-Fertigung verfügte. Man suchte sich also einen Hersteller in Osteuropa und kam zur Firma LAK in Litauen. Dort sollte man produzieren können zu einem Kostensatz pro Mannstunde von nur einem Dollar. Damals war das noch so!
Man investierte Unsummen - nur die Anzahl der ausgelieferten Flugzeuge war so gering, dass trotz der niedrigen Stundensätze keine rentable Produktion möglich war, die Genesis war teurer als ein entsprechendes Muster deutscher Fertigung.
Schließlich bot Jerry Mercer sein Projekt anderen Herstellern an und kam auch zu uns. Wir zeigten uns durchaus nicht uninteressiert, da wir damals bekanntlich kein Hochleistungs-Standardklasse-Flugzeug im Angebot hatten. Wir machten aber zur Bedingung, dass die „Genesis“ einen Vergleichsflug gegen eine LS8 fliegen sollte, das meist verbreitete Flugzeug dieser Klasse.
Nach dem Testflug war das Projekt nicht länger interessant für uns, und die Produktion wurde nach 35 Einheiten eingestellt.
Der finanzielle Verlust von Mr. Mercer soll 5,3 Mio US$ betragen haben!
So geht es also nicht!

Hochleistungs-Segelflugzeuge sind heute bis auf die Spitze getriebene Kunstwerke in Leistung und Technik. Sie zu bauen und vor allem zu konstruieren, braucht es Erfahrungen, die in anderen Ländern im allgemeinen nicht vorhanden sind. Um diese Fertigkeiten aber auch in Zukunft noch zur Verfügung zu haben, braucht es die Akafliegs und ihre Dachgesellschaft, die Idaflieg. Diese Gruppen wurden bei ihren Forschungen und Neuentwicklungen in der Vergangenheit vor allem vom Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt DLR unterstützt. Wir Hersteller würden uns wünschen, dass diese Unterstützung auch in Zukunft nicht nur fortgesetzt sondern sogar intensiviert würde.

Für uns Hersteller bleibt als Aufgabe "die Kleinigkeit", einfach Flugzeuge zu bauen, die besser sind als alles, was man sonst auf der Welt kaufen kann. Dass wir das tun, dafür sorgt schon der beinharte Wettbewerb in unserer Branche. Wir sollten aber auch die auf uns zukommenden Entwicklungen sehen, dass nämlich nicht nur Leistung und Gleitzahlsteigerung gefordert ist, sondern dass wir auch massiv in die weitere Verbesserung des Komforts und vor allem der Sicherheit des Piloten investieren müssen.
Hier gibt es schon eine ganze Reihe von Entwicklungen (Flarm, Rettungssystem,Überziehwarnung, Rögerhaken, Piggott-Haken, etc.) - die Piloten unter Ihnen kennen diese Begriffe (hoffentlich!) alle. Bis diese Sicherheitsfeatures nicht nur in neue Flugzeuge eingebaut sondern auch in bestehende nachgerüstet werden, vergeht aber leider noch viel zu viel Zeit.

Eines aber werden wir ganz sicher nicht machen, auch wenn es uns immer wieder vorgeschlagen wird:
Wir werden kein "Billigflugzeug" bauen ähnlich wie UL-Segelflugzeuge. Die Forderung: "Baut doch mal ein ganz einfaches Segelflugzeug! Eine Gleitzahl von 1:35 wäre doch völlig genug!", zeigt, dass diejenigen, die das verlangen, keinen Einblick in den Flugzeugbau haben.
Ein Beispiel: Es ist heute teurer, eine LS4 zu bauen als eine LS8, und dabei fliegt die LS8 viel besser. Aber die Fertigungstechnologie ist heute eben auch weiterentwickelt worden. Ein schlechteres Profil ist um nichts billiger zu bauen als ein gutes, und wer will denn auf ein modernes Sicherheitscockpit verzichten, selbstanschließende Ruder, Röger-Haken und dergleichen mehr? Wer ein preiswertes Flugzeug kaufen will, hat einen riesigen Gebrauchtflugzeugmarkt zur Verfügung, denn weil wir deutsche Segelflugzeughersteller schon immer Spitzenprodukte gebaut haben, fliegen diese Flugzeuge auch noch 30 Jahre später zur Freude ihrer Besitzer.
Ob man das später auch von UL-Segelflugzeugen mit ihrer filigranen Konstruktion wird sagen können?

Allein die Notwendigkeit, für eine neue Flugzeugklasse völlig neue Flugzeuge konstruieren und zulassen zu müssen, machen diese von vorn herein so teuer, dass sich der ganze Aufwand nicht lohnt. Das also ist sicher nicht der Weg!

Wenn wir also unsere Marktführerschaft an der Weltspitze behalten wollen

Ausruhen auf unserer Position an der Weltspitze können wir uns ganz bestimmt nicht! 

Ich wünsche - nicht ganz uneigennützig - den Deutschen Segelflugzeugherstellern noch eine lange und erfolgreiche Tätigkeit und dass sich die oben aufgeführte Liste nicht verlängern möge!


Allen Piloten unter Ihnen

Always happy Landings

Friedel Weber